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Full text of "[untitled] Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, (1869-01-01), pages 119-125"

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Clcmro, anzeigen. 119 

Laiiguagc »n«l Ihe study of language. 'fwclvt lectuies ou the principles 
of linguislic science by W. Whitney. London 1867. 489 pp. 8. 

Das beispiel M. Müller's, das verständniis und das 
interesse eines größeren publicum« für die Sprachwissen- 
schaft dorch eine populär-wissenschaftliche darstdiung ihres 
ziels und ihrer methode zu wecken, hat nicht nur, wie die 
wiederholten auflagen des Originals und die Übersetzungen 
beweisen, vielen beifall, sondern im vorliegenden werk 
nunmehr auch nachahmung gefunden. Herr prof. Whitney 
in New-Haven hat es unternommen, die principien der 
Sprachwissenschaft in einer reihe vou zwölf Vorlesungen zu 
erörtern, welche die Überarbeitung und erweiterung meh- 
rerer in den jähren 18u'4, 6'5 zu Washington und Boston 
gehaltenen vortrage bilden. Es ist in der that eine erfreu- 
liche erscheinung, dafs jetzt auch in America den Studien 
eine weitere auerkennung verschafft werden soll, welche 
schon lange mit immer wachsenden eif'or und erfolg auf 
unserem continent gepflegt werden. Dals hr. Wh. dem- 
gemäfs sein buch speciell fttr sein americanisches publicum 
berechnet und, wo es irgend thunlich, die engl, spräche 
znm ausgangspunkt der Untersuchungen gemacht hat, dür- 
fen wir ihm, wenn schon dadurch einer Übersetzung erheb- 
liche Schwierigkeiten in den weg treten, nicht verargen, 
sondern müssen es im gegentheil nur billigen, wenn er es 
ausdrücklich für seine methode erklärt, von bekannten din- 
gen auszugehen u;id durch induetion zur erkenntnifs höhe- 
rer Wahrheit aufzusteigen. 

Näher verbreitet sich der vf. über seinen zweck und 
plan in der ersten Vorlesung, werin er, ausgehend von dem 
unterschied zwischen erlemung einer spräche zu praktischem 
gebrauch und deren wissenschaftlicher erforsebung, zunächst 
auseinandersetzt, was man unter Sprachwissenschaft zu 
verstehen habe, und deren werth für die entwicklung des 
menschen selbst und für seine geschichte kurz berührt. 
Den hauptinbalt seiner Untersuchungen formulirt er in die 
frage: warum sprechen wir, wie wir sprechen? und ant- 
wortet darauf: weil wir es von denen, die uns von kind- 
heit auf umgeben 7 nicht anders gelernt haben. Race und 



120 Clemm 

blut haben nichts mit der spräche zu thun, die erlernung 
der mutterspracbe verdanke- wir blofs unserer erziehung. 
Jede spräche steht nur unter dem einflusse der persönlich- 
keit des redenden, denn weder versteht einer unter dem- 
selben wort genau dasselbe, wie der andere, noch beherrscht 
einer in gleicher weise den Sprachschatz wie der andere, 
ja nicht zwei Individuen sprechen dasselbe englisch. An 
dem beispiel dieser spräche werden dann auch die baupt- 
bedingungen für die Veränderungen einer spräche erörtert, 
sowohl nach Inhalt (namentlich durch Vermehrung des 
wortvorratbs mit fortschreitender erweiterung der kennt- 
nisse) als nach der form, hier namentlich durch erleichte- 
rung der ausspräche für unser organ und durch das stre- 
ben nach Vermeidung von unregelmäfsigkeiten. Da nun 
die spräche das werk der Überlieferung ist, so ergiebt sieb 
schon hieraus, wie in der zweiten Vorlesung auseinander- 
gesetzt wird, dafs ihr nur in bildlichem sinu selbständige, 
objeetive existenz zugeschrieben werden kann, thatsächlich 
existirt die spräche nur im geiste und im munde des spre- 
chenden. Mit recht wendet sich hr. Wh. gegen M. Mfll- 
ler's entgegenstehende ansieht: allerdings ist die spräche 
nicht abhängig von dem individuum, aber der grund liegt 
nicht darin, dafs die menschen keine macht über die sprä- 
che haben, sondern im gegentheil darin, dafs sie alle macht 
darüber haben, dafs eben der gebrauch die spräche macht, 
usus norma loquendi. Nur die Übereinstimmung der ge- 
meinschaft derjenigen, welche eine spräche sprechen, kann 
dem individuum einflufs auf dieselbe gestatten. Ein grund, 
weshalb man die spräche einen naturorganismus genannt 
und die Sprachwissenschaft den naturwissenschaften beige- 
zählt hat, liegt in der analogie theils des inhalts, theils der 
methode, aber dies ist auch nur eine mehr oder minder 
instruotive analogie, weiter nichts. Die Sprachwissenschaft, 
eine historische diseiplin, bedarf zwar auch der hülfe der 
natur Wissenschaft, z. b. der physiologie, doch ihr mittel- 
punkt bleibt immer der menschliche geist. Andrerseits 
benimmt die abwesenheit aller reflexion und bewufster ab- 
sieht der spräche den Charakter der subjeetivität, den sie 



anzeigen 121 

sonst als erzeuguifs einer freien willensthätigkeit an sich 
tragen würde. Ein weiterer minder gewichtiger grund, 
weshalb man die Sprachwissenschaft zu einer naturwissen- 
schaf't hat machen wollen, ist der, dafs man den namen 
Wissenschaft nur denjenigen menschlichen kenntnissen zu- 
schrieb, welche sich auf die unwandelbaren naturgesetze 
stützen. Allein das liegt, wie hr. Wh. zeigt, nicht im 
begriff der Wissenschaft, sondern ist eine einseitige und 
falsche auffassuug. Aufgabe des Sprachstudiums ist es, 
die historische entwicklung der spräche bis zu ihrem Ur- 
sprung zu verfolgen, und hierbei handelt es sich zunächst 
um die etymologische erklärung der Wörter und deren zu- 
rückfübrung auf die ursprüngliche form. — Eingehend be- 
spricht die dritte Vorlesung die hauptbedingungen, welche 
für das leben der spräche, ihr wachsthum und ihren ver- 
fall in betracht kommen. Viele lautlichen Vorgänge lassen 
sich nach des vf.'s ansieht zwar begreifen, aber nicht er- 
klären. Dahin rechnet er auch die lautverschiebung, ohne 
jedoch die vorhandenen erklärungsversuche als ungenügend 
nachzuweisen. Neben ihrer äußeren gestalt aber verändert 
die spräche auch ihren inneren gehalt, ja der Wechsel der 
bedeutung ist fast noch wichtiger, als der der äufseren 
laute. Dieses moment. auf welches übrigens auch schon 
Steinthal hingewiesen hat, besonders hervorgehoben zu ha- 
ben, ist ein wesentliches verdienst unseres buches. Der 
grund für den Wechsel der bedeutung ist nach hrn. Wh. 
derselbe, wie der für die phonetische Veränderung: kein 
inneres band verknüpft laut und bedeutung, der Verände- 
rung dieser beiden factoren steht nur eiue schranke ent- 
gegen , die allgemeine v<*rständlichkeit. Der procefs der 
namengebung wird von verschiedenen seiten beleuchtet und 
geleugnet, dafs der mangel an sog. „ sprachsinn u ein zei- 
chen des Verfalls sei, weil der gebrauch der wörter von 
der etymologie unabhängig ist. Diese betrachtungen wer- 
den in der vierten Vorlesung fortgesetzt und namentlich die 
äufseren umstände, die zeitlichen und örtlichen Verhältnisse, 
welche auf das wachsthum der spräche einwirken, erörtert. 
Rücksichtlich der entstehung der dialecte kommt in erster 



122 Clemm 

linie dio Verschiedenheit der Individuen in betracht, welche 
aber wieder bestimmt ist durch die gemeinschaft derjenigen, 
mit welchen man zusammen lebt und verkehrt. Dialecte 
sind nicht unterschiede der art, sondern des grades. Alles, 
was die gemeinschaft beschränkt und isolirung bewirkt, 
begünstigt die entstehung der dialecte, während umgekehrt 
alles, was die gemeinschaft bewirkt und den verkehr und 
die berührung der einzelneu volksclassen oder volksstämme 
fördert, zu einem aufgehen der dialecte in eine allgemeine 
Sprache hinführt. Im anschlufs hieran bekämpft die fünfte 
Vorlesung die abweichende ansieht Renan's und M. Müller's, 
wonach die natürliche anläge der spräche sie von der Viel- 
heit zur einbeit hintreibt und die dialecte vor der spräche 
vorhanden sind. Nach hm. Wh. ist aber der Vorgang 
ein umgekehrter, die worte verändern im laufe der zeit 
ihre ausspräche, forin, bedeutnng und differenziren sich 
so, z. b das lat. verita[t]-s lautet in den neueren sprachen 
ganz verschieden verite, verity, verdad, veritä. Sodann 
wird der englischen spräche ihr platz in dem grofsen kreise 
der sprachen angewiesen, durch ihre doppelte Verwandt- 
schaft mit den germanischen und den romanischen sprachen 
gelangt der vf. zu der indo-germanischen familie oder, wie 
er lieber will, der indo-europäischen. Wir gehen auf die- 
sen genugsam erörterten und doch ziemlich unwesentlichen 
punkt nicht weiter ein, sondern bemerken nur, dafs der 
Vorwurf, der name „indo-germanisch" schmecke nach na- 
tionaler Voreingenommenheit, bereits von Fr. Spiegel in 
den heidelb. jbb. LXI, s. 21 zurückgewiesen worden ist. 
Die frage nach dem ursitz des indogermanischen volkes 
erklärt hr. Wh. für unlösbar, wenn er auch — und gewifs 
mit recht — zugiebt, die allgemeine Wahrscheinlichkeit 
spreche für Asien. (S. dagegen Benfey's vorrede zu Fick'6 
indogerm. Wörterbuch s. XI). Nicht minder ungelöst scheint 
dem vf. die frage nach der allmählichen abtrennung der 
einzelnen stamme, gegen Schleicher's annahmen wird e. 204 
die Stellung des keltischen geltend gemacht. Was dann 
weiter über die civilisation und lebensweise des indoger- 
manischen volks vor der Sprachtrennung, insofern die 



anzeigen. 123 

Sprachvergleichung darüber aufschlufs geben kann, niitge- 
theilt wird, dürfen wir als bekannt übergehen, ebenso das, 
was in der sechsten Vorlesung über die einzelnen stamme 
und über die bedeutung der iudogerman. Sprachforschung 
für die gesammte Sprachwissenschaft gesagt wird, treffend 
sind hier namentlich die beinerkungen über etymologie, ihre 
methode und leider noch allzu gewöhnlichen fehler. Kön- 
nen wir nun, so fragt der vf. in der siebenten Vorlesung 
weiter, bestimmte züge eines sprachzustandes nachweisen, 
der im vergleich zu dem unsrigen ein primitiver war? Indem 
er diese frage selbstverständlich bejaht, gelangt er auf 
dem wege historischer aualyse zu den einsilbigen wurzeln 
als den letzten bestaudtheileu der Ursprache. Den ersten 
schritt aus dem monosyllabismus heraus that die spräche 
durch Zusammensetzung der beiden gattungen von wurzeln, 
der verbalen und pronominalen, es entstanden die ver- 
schiedenen verbal- und noniinalformen. Gegen die hier 
vorgebrachten erörterungen Heise sich nun freilich manches 
einwenden, dessen ausführung wir jedoch unterlassen müs- 
sen, auffallend ist z. b., dafs hr. Wh. das perfect noch für ein 
tempus der Vergangenheit hält und sich dasselbe nach dem 
imperfect oder vielmehr dem augmentpräteritum entstanden 
denkt. Schade, dafs ihm die schrift von G. Curtius, zur 
Chronologie der iodogerin. Sprachforschung (s. diese zeitschr. 
XVII, 292 ff.) noch nicht vorliegen konnte. Gelungener 
ist, was 8. 283 über die gründe gesagt wird, weshalb in 
den alten sprachen die synthesis vorwiegt, während in den 
neueren die analysis das sprachbildende princip ist. 

Eine übersieht über die nicht zur indog. familie ge- 
hörenden sprachen giebt die achte und neunte Vorlesung, 
worin sich der vf. entschieden gegen das monstrum einer 
sog. turanischen familie erklärt, wie es von einigen Sprach- 
forschern angenommen worden ist. Mit gleichem rechte 
spricht er sich dann in der zehnten Vorlesung über den 
vorzug der genealogischen Classification vor der morpholo- 
gischen aus: jene, welche allerdings durch diese ergänzt 
werden mufs, ist das eigentliche ziel der historischen Sprach- 
forschung, indem sie mit deren resultaten für ethnologie 



124 Clemtu 

und geschichte der menschheit eDg zusammenhängt. Das 
verhältnifs der Sprachwissenschaft und naturwissenschaft zur 
ethnologie wird hierauf näher auseinandergesetzt, wobei br. 
Wh. die frage, was denn die erstere hinsichtlich der ein- 
heitlichen abstammung des menschengeschlechts lehre, als 
unlösbar und — unfruchtbar abweist. Die elfte Vorlesung 
wendet sich zum problem vom Ursprung der spräche und 
untersucht zuerst das verhältnifs von denken und sprechen, 
zwischen beiden herrscht keine nothwendige Verbindung, 
wie zwischen leib und seele, das erstere geht dem letzteren 
voraus. Es folgt dann eine kritik der neueren haupttheo- 
rien über den Ursprung der spräche, unter denen M. Mül- 
lers kling -klangtheorie als gänzlich unhaltbar bezeichnet 
wird. Hr. Wh. selbst gesteht dem interjectionalen, beson- 
ders aber dem onomatopoetischen *) priacip eine grofse 
berechtigung zu, wenn man nur festhalten wolle, dais die 
worte nicht treue abbilder der gedanken sind, sondern nur 
das mittel, diese andern mitzntheilen. Die zwölfte Vorle- 
sung endlich kehrt noch einmal zu der im anfange aufge- 
worfenen frage zurück: warum sprechen wir wie wir spre- 
chen? und prüft diese von neuen gesichtspunkten aus. 
Hier wird dann auch der rückwirkung der spräche auf die 
gedanken und die gesammtc geistige entwicklung des men- 
schen gedacht und dabei auf die hülfe der schreibkunst 
hingewiesen, deren geschichte in einer skizze gegeben wird. 
Ob die engliche spräche, deren aiphabet und Orthographie 
der v£ schliefslich bespricht, wirklich dereinst zu einer 
Weltsprache berufen scheint, ist ein punkt, über den sich 
auch unter zugeständnifs aller ihr vindicirten Vorzüge 
streiten liefse. 

Doch wir dürfen uns auf das einzelne hier nicht ein- 
lassen, so ungern wir uns auch die mittheilung mancher 
treffenden und fruchtbaren gedanken, welche das reich- 
haltige und durchaus von besonnenem urtheile zeugende 
buch enthält, versagen; vorstehendes möge genügen, es 
dem Studium aller Sprachforscher — auch derjenigen, 

*) Zu dieser ansieht bekennt der verf. vorrede 6. 1 und 2 erst durch 
neuere atudien angeregt worden zu sein. 



anzeigen. 125 

welche dem vf. in manchen stücken nicht beistimmen wer- 
den — zu empfehlen. — 

Giefsen. W. Clemm. 



La langne Laune etudile dam l'uiiit«? Inilo-Europe'eune. Histoire-Gram- 
inaire-Lexique, par Ame'de'e de Caix de Saint -Aymour. Paris 1868 
(462 s. 8.). 

Das ist ein viel versprechender titel, und ein buch, 
das auch nur einigermafsen erfüllt, was derselbe verhelfst, 
mutete der Sprachwissenschaft willkommen sein. Aber 
schon der erste abschnitt des buchen, der sich „geschichte 
der indo-europäischen familie" nennt und der folgende „ge- 
schichtlicher blick auf das lateinische und seine dialekte " 
sind ganz dazu geeignet, die erwartungen jedes sachkundi- 
gen von diesem buche herabzustimmen. Das brauchbare 
an diesen abschnitten verdankt der Verfasser anderen, und 
was er selbst hinzuthut, ist unbedeutend oder vom übel. 
Mit grofser Sicherheit läfst er zur crkläruug des Ursprunges 
der griechischen und der italischen sprachen Ario-Pelasger 
auftreten, die sich dann in Helleno-Pelasger und Italo- 
Pelasger trennen, und stellt den letzteren in Italien semi- 
tische Etrusker zur seite nach dem „beweise" M. Stickeis, 
dafs die etruskische spräche im wesentlichen semitisch sei, 
ein satz, den M. Chavec „enthüllt und vergröfsert haben 
soll". Von den Widerlegungen der grundlosen Stickeischen 
hypothese weifs derselbe nichts. M. de Caix würde wohl 
thun, sich über dieselbe bei Ascoli belehrung zu holen 
(Tntorno ai recenti stndj diretti a dimostrarc il Scmitfomo 
della lingua Etru6ca. Estr. dall' Archive Storico Italiano. 
Nuov. ser. Tom. XI, p. 1 f.). Was er über das ver- 
hältnifs der lateinischen spräche zu den verwandten itali- 
schen dialekten vorbringt, hat er in Moinnisens römischer 
geschichte gelesen oder gelegentlich aus Bopps verglei- 
chender grammatik entnommen. Er geht denn auch bald 
von diesem gegenstände ab und erzählt einiges über die 
romanischen sprachen. Hiermit ist der erste grolse haupt-